Bei einem Genehmigungsverfahren (TA Lärm) wird auf Basis der Herstellerangaben vor dem Bau eine Schallprognose erstellt, welche einen feststehenden Prognosewert ermittelt. Der fällt häufig zu günstig aus, da Herstellerangaben verwendet werden und reale Messungen am Immissionsort nicht vorgesehen sind. Der ermittelte Beurteilungspegel ist ein Mittelwert, in den laute und leise Betriebszeiten einfließen. Dies ist zwar für die Genehmigungspraxis ein praktikables Vorgehen, aber Störungen durch laute Zeiten werden zeitlich weggemittelt.

Ein impulshaltiger Spitzenpegel, der bei der Drehung der Rotoren entsteht, wird rechnerisch durch einen Zuschlag von 3 dB(A) berücksichtigt. Auch hier werden die tatsächlichen Schallimpulse auf einen Schätzwert gemittelt. Prof. O. Wolfrum in seinem Buch „Windkraft: eine Alternative, die keine ist“ beschreibt hingegen, dass die tatsächlichen Lärmimmissionen bis zum Vierfachen höher sein können als nach der Schallprognose zu erwarten war.

Meteorologische und topologische Einflüsse versucht die TA-Lärm durch die DIN 9613-2 zu  berücksichtigen. Diese war aber nicht für die 200m hohen Schallquellen der Windenergieanlagen, welche gerade nicht eine kugelförmige Schallabstrahlungscharakeristik aufweisen wie in der DIN angenommen, konzipiert. Daher stellt A. Dietrich die der DIN ISO 9613-2 zur Durchführung einer Schallprognose für Windenergieanlagen in Frage. Die TA-Lärm war ursprünglich als Arbeitsschutzrichtlinie ausgelegt.

 

Die Probleme, die bei der Prognose und Messung von tieffrequentem Schall nach den heutigen Vorschriften entstehen, fasst das Ingenieurbüro für Lärmschutz „Förster & Wilgast“ wie folgt zusammen:

" Da die Schalldruckpegel tieffrequenter Schallenergien durch die international anzuwendende Frequenzbewertungskurve „A“ sehr stark bedämpft werden, erzeugen sie nur sehr niedrige dB(A)-Pegel, die in der Regel die gesetzlich festgelegten Immissionsrichtwerte der TA LÄRM einhalten oder sogar unterschreiten. Dadurch entsteht die Situation einer scheinbar „zulässigen“ Geräusch-Immissionssituation, obwohl erhebliche Belästigungen für die Wohnnachbarschaft insbesondere nachts vorhanden sind. Ursache hierfür ist neben der besonderen Lästigkeit tieffrequenter Schallenergien deren Fähigkeit, geschlossene Wohnungsfenster nahezu ungedämpft zu durchdringen.

... Zudem gestaltet sich die tieffrequente Geräuschimmissionsprognose ohnehin als schwierig, da die besonderen Eigenschaften der Schallausbreitung langer Schallwellen mit den üblichen PC-Berechnungsprogrammen nicht vollständig erfasst werden (siehe Vortrag von KUBICEK auf dem 11. Chemnitzer Fachseminar „Schallimmissionsschutz“ im November 2008: “Beurteilung von tieffrequenten Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft - Hinweise zur Erstellung von Schallimmissionsprognosen“).“

Die Messung und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen setzt einen erheblich größeren Untersuchungsaufwand im Vergleich zum „normalen mittel- und hochfrequenten“ Schall und die Kenntnis der besonderen Eigenschaften des tieffrequenten Schallfeldes voraus.
... Darüber hinaus treten im tieffrequenten Bereich akustische Effekte prägnant in Erscheinung, die sich bei mittel- und höherfrequentem Schall im Zusammenspiel der verschiedenen Frequenzen gegenseitig aufheben und somit im mittel- und hochfrequenten Bereich nicht erkennbar hervortreten .
... Dies führt in Konsequenz dazu, dass in der messtechnischen Praxis - und dies haben Einzeluntersuchungen an Fallbeispielen bereits gezeigt - erhebliche Anomalien gegenüber den bekannten Schallausbreitungsgesetzen auftreten. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die für Normalschall normativ festgelegten Messverfahren, es erschwert in besonderem Maße die Schallimmissions-Prognoseberechnungen, welche für die Nachweisführung des Schallschutzes in Genehmigungsverfahren für Anlagen mit möglicher tieffrequenter Schallabstrahlung dringend erforderlich ist (oder macht sie sogar unmöglich).
... Der rasanten Entwicklung bei der Errichtung und dem Betrieb von neuen Anlagengeräuschquellen mit funktionsbedingt tieffrequenter Geräuschemission steht derzeit immer noch ein bundesweites Informations- und Kenntnisdefizit zur Beurteilung der Maßgeblichkeit dieser Geräuschquellen und des daraus resultierenden Forderungsumfangs an tieffrequentem Schallschutz gegenüber."

 


Die DIN 45680 beschreibt die Meßverfahren, nach denen ein Lärmgutachten für niederfrequenten Schall im Streitfall erstellt werden sollen. Helga Hung beschreibt in Ihrem Beitrag, welcher Schallbereich durch die Anwendung der DIN 45680 und der A Bewertungskurve dabei unberücksichtigt bleibt.


Für Ende 2013 ist eine Überarbeitung der DIN 45680 geplant, die eine verbesserte Beurteilung der tiefen Frequenzen erlauben soll. Trotzdem werden auch mit der überarbeitetn Fassung keine bedeutenden Verbesserungen vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erwartet:

"Der Entwurf E-DIN 45680:2011-02 sieht im Unterschied zur noch geltenden DIN-Norm eine Reihe von Änderungen vor. Zu nennen sind u.a. die Berücksichtigung eines breiteren Fre­quenzbands bis 140 Hz und das Absenken der Schwelle, ab der eine detaillierte Terzband-Analyse zur Bestimmung der Tonhaltigkeit vorgenommen werden muss. Weiterhin trägt der Entwurf der besonderen Lästigkeit tieffrequenter Geräusche durch die Berücksichtigung einer niedrigeren Wahrnehmungsschwelle anstelle der Hörschwelle Rechnung. Die Neufassung der DIN-Norm wird daher in vielen einzelnen Fällen zu einer Situationsverbesserung führen. Eine generelle Lösung der Lärmproblematik kann aber von der Neufassung wegen der Vielzahl möglicher Aufstellungsszenarien und der bereits in Abschnitt II.2 erwähnten Schwierigkeiten beim Vollzug der TA Lärm nicht erwartet werden. Es kommt hinzu, dass die schalldämmende Wirkung von üblicherweise eingesetzten Isolierglasscheiben für Geräuschanteile unterhalb von 250 Hz in der Regel nur unzureichend ist. Tieffrequente Geräuschanteile, die bei geöffne­tem Fenster durch höherfrequente Geräuschanteile und anderen Außenlärm überdeckt werden, können bei geschlossenem Fenster deutlich wahrnehmbar sein („Fenster auf: Rauschen – Fenster zu: Brummen“)."

 

Die von Windkraftanlagen verursachten Immissionen hat das Verwaltungsgericht Oldenburg, welches sich seit Jahren intensiv mit dieser Problematik beschäftigt, bereits in einer Entscheidung vom 01.07.1998, dortiges Aktenzeichen - 4 B 1807/98 - beschrieben:

"Technische Regelwerke wie die TA Lärm können die Beeinträchtigung durch die Geräusche nicht zutreffend erfassen. Bei Windkraftanlagen ist regelmäßig ein dauernd an- und abschwellender Heulton wahrzunehmen, der bei stärkerer Windgeschwindigkeit lauter wird. Dabei handelt es sich um den sogenannten Einzelton."

 

Zum Thema Einzelton schreibt das Bundesamt für Naturschutz in seinen "Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz zu naturschutzverträglichen Windkraftanlagen" (erschienen im Jahr 2000) auf Seite 19:

" Dieses Phänomen konnte noch in einer Entfernung von 3 - 5 km zu einer Gruppe von Windkraftanlagen beschrieben werden ."

 

 

In der Untersuchung "Wissen über Wind" aus Dänemark zu Schallauswirkungen auf Nachbarn wird festgestellt, dass 29% der WK-Anwohner im Umkreis von 750m zur WKA unter Schlafstörungen leiden, 41% im Umkreis von 1000m werden durch den Lärm gestört und 40% hören ihn bis zu 2km weit. Niederfrequenter Schall wird von 20% der Anwohner im Umkreis von 2km wahrgenommen.

 

Weitere Literatur zum Thema tieffrequenter Schall finden Sie hier.